Dechiffrierung des Neuromarketings beim Klavierkauf

Welche Rolle spielt die Lautstärke?

Lassen Sie uns gemeinsam einen Trend betrachten. Dieser Trend besagt, dass

  1. die Musik immer lauter und
  2. der Grundton immer höher wird.

Was ist die Ursache für diesen Trend? Sowohl bei der Tonhöhe als auch bei der Lautstärke geht es um Ihre Aufmerksamkeit. Die Entstehung des Trends "Tonhöhe" erzählt die folgende Geschichte:

Entgegen der Annahme, dass es beim gemeinsamen Musizieren ausschließlich um das Miteinander geht, kämpfen in einem Orchester die Streicher mit den Bläsern um das höchste Gut ihres Publikums, nämlich um deren Aufmerksamkeit. Die Streicher griffen dabei zu einem Trick. Sie stimmten ihre Instrumente immer etwas höher. Dadurch klangen sie heller und wurden vom Publikum besser wahrgenommen.

Als Johann Sebastian Bach lebte, betrug der Kammerton 415 Hertz. Auf 440 Hertz als Norm hat man sich erst 1939 geeinigt. Wenn Sie jedoch heute in ein Konzert gehen, dann werden die Instrumente für das Konzert mindestens auf 442 Hertz gestimmt. Das Ansteigen der Tonhühe scheint also tatsächlich ein Trend zu sein.

Wenn man den romantischen mit dem so genannten brillanten Klang vergleicht, dann kann man feststellen, dass der so genannte brillante Ton heller und somit kälter klingt sowie vor allem lauter wirkt. Insofern findet also auch dieser Teil des Trends seine Bestätigung.

Aber macht dieser Trend auch Sinn? Denn es muss doch die Frage erlaubt sein, mit wem mein Klavier bei mir zu Hause um Aufmerksamkeit buhlen muss? Was habe ich davon, wenn mein Klavier heute lauter als früher ist? Ob ich mich wohl aufgrund einer größeren Lautstärke beim Klavier spielen besser entspannen kann?

Zum Seitenanfang Steigert Brillanz als Verkaufsargument den Wert?

Warum fordern die Händler von den Herstellern den brillanten Klang?

Ihre Fragen sind berechtigt. Dabei geht es aber gar nicht darum, wie laut Ihr Klavier bei Ihnen zu Hause klingt. Es geht bei der Gestaltung der Lautstärke im Wesentlichen um den so genannten Point of Sale, also um den Verkauf im Geschäft. In dem Verkaufsraum stehen verschiedene Instrumente nebeneinander und kämpfen um Ihre Aufmerksamkeit. Hier findet der Wettbewerb nun statt

  • zwischen Klavieren und Flügeln,
  • zwischen unterschiedlich großen Modellen,
  • zwischen verschiedenen Herstellern,
  • zwischen den Herkunftsländern,
  • zwischen Original-, Zweit-, Dritt-Marken, so genannten Haus-Marken und Instrumenten ohne Namen und somit ohne Nachweis der Herkunft,
  • und natürlich zwischen elektronischem Keyboard und akustischem Klavier.

Bevor das Klavier in Ihrer Wohnung steht, müssen Sie es erst noch kaufen! Das heißt, Sie müssen eine Entscheidung treffen.

Zum Seitenanfang Stress in der Verkaufssituation

Vom Stress geleitet!

Aus Ihrer Sicht geht es beim Kauf eines Klaviers darum, die richtige Entscheidung für eine hohe Investition zu treffen. Der Kauf wird durch die Tatsache insofern regelrecht dramatisiert, dass man sich normalerweise nur einmal im Leben ein Klavier kauft. Fehlentscheidungen sind also tabu! Das heißt, Sie betreten das Musikgeschä;ft nicht alleine sondern werden von Stress begleitet. Man könnte sogar sagen, dass Sie vom Stress geleitet werden! Stress hat im Allgemeinen die Funktion, die Wahrnehmung als Verstandesleistung zugunsten einer schnellen Entscheidung einzuschränken. Die schnelle Entscheidung wird unter Umgehung unseres Verstandes auf der emotionalen Ebene getroffen. Selbst wenn Ihnen nun also der Verkäufer die qualitativen Unterschiede im technischen Detail näher bringen würde, Sie könnten diese Informationsvielfalt rational vermutlich nur eingeschränkt verarbeiten. Daher ist es quasi im gegenseitigen Interesse, wenn die Informationen stark reduziert werden. In unserem Fall wird also die Vielfalt der qualitativen Aspekte auf den nicht weiter erklärungsbedürftigen Faktor Lautstärke reduziert. Daher gelten in der Verkaufssituation die schlichten Formeln:

  • Viel laut = viel wert!
  • Mehr laut = mehr wert!

Das Gegenteil würde lauten: Wenig laut = viel Wert! Nein, zu diesem Geschäft wären Sie nicht bereit, oder? Das ist insofern aufschlussreich, da wir an diesem Beispiel nachvollziehen können, dass nun offensichtlich nicht mehr unser Verstand die Entscheidung trifft. Es scheint wirklich so zu sein, als ob unsere von der Lautstärke aktivierten Emotionen für die Entscheidung verantwortlich wären! Die Wirkung der Lautstärke als eben ein emotional wirksames Argument kann unser Verstand zumindest in dieser speziellen Situation des Klavierkaufs und dem damit verbundenen Stress nicht entkräften. Unser unterschwelliges Verlangen nach emotionalem Tiefgang bahnt sich seinen Weg in Form der Kaufentscheidung!

Die Formeln Viel laut = viel Wert! beziehungsweise Mehr laut = mehr Wert! sind griffig und vor allem schlicht. Diese eingängige Kombination erleichtert Ihnen die Entscheidung und gleichzeitig dem Verkäufer die Argumentation. Das positive Feedback durch Sie als Käufer hat dazu geführt, dass man in Industrie und Handel diesen Trend bereitwillig unterstützt.

Dabei ist es interessanterweise ganz anders, wenn man Ihnen im Gespräch derartige Zusammenhänge bewusst macht. Dann würden nämlich nahezu alle Klavierspieler den romantischen Klang mit der geringeren Lautheit vorziehen!

Zum Seitenanfang Zu Hause erleben Sie ein anderes Instrument!

Zu Hause hören wir wieder richtig!

Zurück zu Ihnen und zurück zu unserem Thema, denn Sie haben ja soeben zumindest hier in unserem Dialog ein neues Klavier gekauft:

Dass das gekaufte Instrument bei Ihnen zu Hause ohne Stress anders und vor allem lauter als in den Verkaufsräumen klingt, ist nun leicht nachvollziehbar. Jetzt fällt uns auf, dass unsere Sehnsucht nach emotionalem Ausgleich zum Alltag eher zu den leisen Tönen tendiert! Die folgende Information wird nun für Sie zur guten Nachricht: Klang und Lautstärke Ihres Klaviers kann man an die jeweiligen Bedingungen vor Ort anpassen!

Daraus kann man zum Schluss bezogen auf die Frage nach dem brillanten Klang folgern, dass uns die Lautstärke lediglich in den Verkaufsräumen (sowie in den Konzerthallen) überzeugen kann.

Es bleibt festzuhalten, dass man diesen Trend so nicht hinnehmen muss. Da es keine absoluten Tonhöhen gibt, bleibt die Grundtonhöhe für das Klavier als Solo-Instrument frei wählbar und ebenso kann man den Klang und damit verbunden die Lautstärke im Sinne der Wohltemperierung ohren-freundlich gestalten! Doch dies ist in erster Linie die Aufgabe der Klavierhersteller, die bei den Herstellern der Klaviermechaniken einen guten da elastischen Filz einfordern müssen.

Im Übrigen gibt es bereits den Trend, bei dem endlich Sie im Mittelpunkt stehen! Hier geht es in einer sich immer rasanter verändernden Welt um Ruhepunkte, also um eine zeitweise Entschleunigung als Gegenpol zum Alltag, um die Verlangsamung des Eigentempos, um Entspannung und Harmonie - beim Gestalten einer wohltuenden Pianosphäre also eher um Piano als um Forte! Denn das Leise öffnet, entspannt und harmonisiert uns.

Wie sich beim Klavierspiel unterschiedliche Grundtonhöhen unmittelbar auf die innere Anspannung des Klavierspielers und Zuhörers auswirken, können Sie in einem Selbstversuch ausprobieren, wenn Sie die Seite mit den Hörbeispielen auf meiner Homepage unter www.praeludio.de besuchen.

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